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Eugen Fischer-Baling (1881-1964) – Manuskripte, Artikel, Briefe und Tagebücher [Gebundene Ausgabe]

10 Februar 2011 No Comment

Vater der «Politologen» Schriften von Eugen Fischer-Baling Der 1881 geborene, 1964 gestorbene Eugen Fischer-Baling, Direktor der Berliner Reichstagsbibliothek, Historiker, Theologe und politischer Philosoph, Gelehrter und Literat, nicht zu verwechseln mit dem berüchtigten NS-Anthropologen Eugen Fischer, ist heute weitgehend vergessen. Zu sehr sass er zeit seines Lebens zwischen den Stühlen der Parteien: als Demokrat im Kaiserreich; als patriotischer Verteidiger der deutschen Revolution von 1918 und der Weimarer Republik; als innerer Emigrant und NS-Gegner, dem es gleichwohl gelang, sich und seine Familie durch das «Dritte Reich» zu lavieren; als Verfechter des Weltstaatgedankens in der Bonner Republik; als politischer Aufklärer und christlicher Humanist. Nur in einem akademischen Fachbegriff hat Fischer-Baling überlebt, ohne dass man das noch ausserhalb (oder wenigstens innerhalb) der Fachkreise wüsste: im Terminus für die «politische Wissenschaft», die «Politologie». Gegen den von Gerhart Niedermeyer vorgeschlagenen Begriff der «Politikologie» setzte sich Fischer-Balings 1948 erstmals so genannte «Politologie» zur Freude der Fachgenossen von Ossip K. Flechtheim bis zu Gert von Eynern und Otto Heinrich von der Gablentz durch. Ein Politologe im Sinn akademisch rationalisierter Engagementsverweigerung und Parteilichkeitsaskese war Fischer-Baling freilich gerade nicht. Davon kann man sich jetzt anhand eines umfangreichen Bandes überzeugen, der seine Manuskripte, Artikel, Briefe und Tagebücher in einer sorgfältig kommentierten Auswahlausgabe zugänglich macht. Der instruktivste Beleg, das herausragende Zeugnis des Bandes, ist die briefliche Resonanz, die Fischer-Baling Anfang 1933, fünf Tage nach der Machterteilung an Adolf Hitler, bei keinem Geringeren als Thomas Mann, dem 1918 angeblich noch so «unpolitischen Betrachter», findet. Thomas Mann, der ehemalige Gegner der Revolution, der «formalen» Demokratie, rühmt hier Fischer-Balings 1932 erschienenes Buch «Volksgericht», was nicht etwa die NS-Justiz meint, sondern eine Würdigung der Revolution von 1918, in der diese in den Rang eines mit nationalem Stolz zu betrachtenden historischen Ereignisses erhoben wird – Anfang 1933 nicht just ein zeitgemässes und umso bemerkenswerteres Buch. Der nationalistischen Dolchstosslegende, auch der deutschen Weisswäscherei in Bezug auf die Frage nach der Schuld am Ersten Weltkrieg widersprach Fischer-Baling deutlich. Nach dem Urteil Thomas Manns hätte sich Fischer-Balings Buch in Sachen der Revolution sogar getrost noch «etwas weniger ‹gerecht› verhalten und den Forderungen und Ratschlägen der sozialistischen Gegner Eberts und Noske’s nachträglich etwas mehr Anerkennung» geben sollen. Doch der Zustimmung Thomas Manns tat das keinen Abbruch: «Die Wahrheiten Ihres Buches kommen gerade zurecht, um mit den schauerlichen Geschichtsfälschungen zu kontrastieren, die ein geflickter Lumpenkönig ins Mikrophon bellen darf.» Wenn dieser Brief von der seinerzeit noch nicht professionalisierten Zensur gelesen worden wäre, dann wäre die Lage sowohl für den Autor wie für den Empfänger sehr gefährlich gewesen. Fischer-Balings «Volksgericht» wurde im April 1933 von den Nazis auf ihre «Schwarze Liste» gesetzt und in der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 den Flammen übergeben. Da war Thomas Mann schon emigriert.

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